Das Spektrum der supportiven Therapie ist weit gefächert und umfasst eine Vielzahl wichtiger Themen.
Eine Bearbeitung auf S3 Niveau ist daher nur schrittweise möglich. So konnten in der ersten Fassung 10 Themen berücksichtigt werden. Im jetzigen Update wird im Kapitel Neurotoxizität die zentrale Neurotoxizität ergänzt und die radiogenen Nebenwirkungen am Urogenitaltrakt bearbeitet. Neu ist außerdem das Thema Tumortherapie- induzierte Kardiotoxizität. Einen Schwerpunkt werden die Nebenwirkungen durch Immuncheckpoint-Inhibitoren, ihre Prophylaxe und Therapie darstellen.
Patienten mit einer Tumorerkrankung leiden häufig unter einer Anämie, die klinische Symptome hervorrufen kann. Als Ursache kommen sowohl die Tumorerkrankung selbst als auch die Tumortherapie in Frage. Bei der Behandlung der Anämie müssen daher auch multiple Ursachen bedacht werden. Je nach klinischer Konstellation kommen Bluttransfusionen, Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESA) oder bei funktionellem Eisenmangel die Substitution von intravenösem Eisen auch in Kombination mit ESA in Betracht
Nausea und Emesis (Übelkeit und Erbrechen) gehören zu den am stärksten belastenden Nebenwirkungen medikamentöser Tumortherapie. Intensität und Dauer der Symptomatik sind abhängig von der Art der eingesetzten antineoplastischen Substanz bzw. Strahlentherapie, der Dosis, der Kombination mit anderen Medikamenten und patientenindividuellen Risikofaktoren. Durch eine optimale antiemetische Prophylaxe kann das Erbrechen nach einer hoch emetogenen Tumortherapie bei ca. 70-80 % der Patienten verhindert werden. Die Kontrolle der Übelkeit bleibt weiterhin eine Herausforderung.
Die febrile Neutropenie (FN) und die Neutropenie assoziierten Infektionen sind ein bedeutsamer Faktor für Morbidität und Mortalität nach zytotoxischer Therapie. Zudem können diese zu einer Dosisreduktion der Chemotherapie und/oder Zyklusverzögerungen führen. Die Granulozyten-Koloniestimulierenden Faktoren (G-CSF) sind für die Verringerung der Inzidenz febriler Neutropenien und Dauer der Neutropenie bei malignen Erkrankungen mit zytotoxischer Chemotherapie sowie zur Verkürzung der Dauer der Neutropenie infolge myeloablativer Chemotherapien zugelassen
Im Rahmen einer medikamentösen Tumortherapie kommt es häufig zu unerwünschten Wirkungen an der Haut. Hierbei kann der teilweise entstellende oder im Alltag einschränkende Charakter der Hauttoxizität zur Unterbrechung oder im schlimmsten Fall zum Abbruch der Tumortherapie führen. Das Spektrum möglicher dermaler Nebenwirkungen reicht von lokalisierten Erythemen bis hin zu generalisierten papulopustulösen Exanthemen, schließt Haar- und Nagelveränderungen ein. In der aktuellen Version der Leitlinie erfolgt eine Konzentration auf den Patienten besonders beeinträchtigende Erscheinungsbilder der Hauttoxizität: das Hand- Fuß- Syndrom, das akneiforme Exanthem (Rash), Nagelveränderungen und Alopezie.
Die Mucositis zählt zu den häufigen frühen Nebenwirkungen einer Tumortherapie. Besonders im oberen Gastrointestinaltrakt kann diese in Form einer Stomatitis für den Betroffenen äußerst unangenehm und schmerzhaft sein und eine orale Nahrungsaufnahme vorübergehend unmöglich machen. In der Phase der Neutropenie muss eine höhergradige Mucositis als Risikofaktor für schwere Infektionen mit vitaler Bedrohung angesehen werden.
Tumortherapie-induzierte Diarrhoe ist eine häufige, den Patienten belastende und gefährliche Nebenwirkung. Neben klassischen Chemotherapeutika verursachen auch die zielgerichteten neuen Substanzen wie Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren teils schwere Verläufe von Diarrhoen. Durch prophylaktische Maßnahmen und effektive supportive Therapiemöglichkeiten wird nicht nur die Lebensqualität der betroffenen Patienten verbessert, sondern auch maßgeblich der Erfolg der Tumortherapie durch Verhinderung von Therapieverzögerungen bzw. –abbrüchen gefördert.
Periphere Neurotoxizität:
Eine Vielzahl klassischer Zytostatika aber auch neuere, zielgerichtete Substanzen bergen das Risiko neurologischer Toxizitäten.
In der ersten Fassung der Supportivleitlinie erfolgte eine Fokussierung auf die Komplikation der peripheren Neuropathie, mit ihrem Risiko der Chronifizierung und Langzeitkomplikationen.
NEU: Zentrale Neurotoxizität:
Der Begriff der zentralen Neurotoxizität fasst eine Reihe von Krankheitsbildern zusammen, die als Folge der Tumortherapie auftreten können. Hierzu zählen z.B.: akute Enzephalopathie, posteriores reversibles Leukenzephalopathiesyndrom (RPLS), Kleinhirnsyndrom (acute cerebellar syndrome), Myelopathien, progressive multifokale Leukoenzephalopathie, aseptische Meningitis und Vaskulopathien.
Komplikationen im Bereich des Knochenskelettes sind häufige, für den Patienten äußerst belastende Ereignisse im Rahmen einer Tumorerkrankung oder auch bedingt durch eine Tumortherapie. Hierzu gehören auf der einen Seite die Therapie- induzierte Osteoporose, die in Folge bestimmter Hormontherapien relevant wird und auf der anderen Seite das breite klinische Bild der ossären Metastasen, die bei Patienten mit Mamma-, Prostata-, Lungen-, Nieren- bzw. Schilddrüsen- Karzinom besonders häufig auftreten. Das Risiko schwerer Komplikationen wie pathologischer Frakturen mit ausgeprägter Schmerzhaftigkeit, oder spinaler Kompressionssyndrome erfordern eine frühzeitige Abwägung und Initiierung der geeigneten Intervention. Hier stehen interdisziplinär chirurgische, strahlentherapeutische und medikamentöse Maßnahmen zur Verfügung.
Die Strahlentherapie kann vor allem an der Mukosa und der Haut zu unerwünschten Wirkungen führen, die die Patienten erheblich belasten. Eine frühzeitige und konsequente Prophylaxe und Therapie sind nötig, um die zeit- und dosisgerechte Durchführung der Therapie sicher zu stellen. Bearbeitet wurden bisher die radiogene Enteritis, Proktitis, Dermatitis, Osteoradionekrose, Mukositis, Xerostomie, Pneumonitis und die antiemetische Therapie unter Strahlentherapie.
NEU: Radiogene Nebenwirkungen am Urogenitaltrakt
Prophylaxe und Therapie bei radiogenen Nebenwirkungen am Urogenitaltrakt werden in diesem Update ergänzt.
Eine gefürchtete iatrogene Komplikation in der Hämatologie und Onkologie ist die Paravasation von Zytostatika. Die Komplikationen, die durch die akzidentielle Injektion eines Zytostatikums in das umgebende Gewebe auftreten, sind vom Typ des Zytostatikums abhängig und reichen von geringen lokalen Entzündungsreaktionen bis zu ausgeprägten Gewebeschädigungen (Nekrosen). Aus der Kenntnis iatrogener, substanz- und patientenbezogener Risikofaktoren für eine Paravasation lassen sich eine Reihe von Präventionsmaßnahmen ableiten. Nach Auftreten eines Paravasates schließen sich je nach Substanz unterschiedliche lokale physikalische und medikamentöse Maßnahmen und sowie ggf. die Gabe von Antidota an.
NEU: Abgesehen von akutem Interventionsbedarf mit Folge einer Therapieverzögerung kann das Auftreten kardialer Nebenwirkungen auch die frühzeitige Beendigung oder Umstellung der onkologischen Behandlung zur Folge haben mit der Gefahr, den Therapieerfolg negativ zu beeinflussen. Man unterscheidet zwischen akuter Kardiotoxizität, z.B. Herzrhythmusstörungen während der Infusion von Anthrazyklinen, und chronischer Kardiotoxizität, die sich zum Teil erst Jahre nach der Behandlung als Herzinsuffizienz bemerkbar macht und die Lebensqualität von Langzeitüberlebenden oftmals erheblich beeinflusst. Abgesehen von den genannten medikamentösen Tumortherapien stellt eine mediastinale Bestrahlung trotz mittlerweile verbesserter Bestrahlungsmodalitäten einen Risikofaktor für das Auftreten einer kardialen Toxizität dar.
NEU:
Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICIs) werden mittlerweile bei vielen verschiedenen Tumorentitäten aus dem Bereich der soliden und der hämatologischen Neoplasien eingesetzt. ICIs induzieren in relevanter Häufigkeit autoimmune Nebenwirkungen, die prinzipiell jedes Organsystem betreffen können und teilweise bekannten Autoimmunopathien ähneln. Das Management der immunvermittelten Nebenwirkungen wird demzufolge zu einem zentralen Thema der Tumortherapie, da diese häufigen Nebenwirkungen zum Teil auch schwerwiegend bis letal verlaufen. Bei den Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE) sind immunvermittelte Nebenwirkungen unter dem Terminus immune-related adverse events (irAE) registriert.