Themen der Leitlinie
Das Spektrum der supportiven Therapie ist weit gefächert und umfasst selbstverständlich eine weit größere Anzahl an wichtigen Themen, wie sie in der geplanten S3 Leitlinie abgebildet sein können. Themen wie Ernährung, Fatigue, thrombovenöse Embolien, neue Toxizitäten durch Targeted drugs etc. sind natürlich auch von großem Interesse. Allerdings könnten in dieser 1. Querschnittsleitlinie nicht im 1. Anlauf alle Themen auf dem S3 Niveau erschöpfend bearbeitet werden. Bereits bei den 10 ausgewählten Themen waren ca. 120 Schlüsselfragen zu bearbeiten, so dass eine Ausweitung des Themenspektrums zu ambitioniert gewesen wäre.
Patienten mit einer Tumorerkrankung leiden häufig unter einer Anämie, die klinische Symptome hervorrufen kann. Als Ursache kommen sowohl die Tumorerkrankung selbst als auch die Tumortherapie in Frage.
Die Häufigkeit und Schwere der Anämie ist abhängig von Tumortyp und –stadium, so betrifft sie ca. 50 % der Patienten mit soliden Tumoren. Als therapeutische Optionen der chemotherapie-induzierten Anämie stehen Bluttransfusionen, Erythropoese- stimulierende Faktoren (ESF) und die Substitution essenzieller Nahrungsbestandteile der Erythropoese zur Verfügung. Hier ist eine akkurate Risiko-Nutzen Abwägung notwendig. Zudem sind der funktionelle Eisenmangel und die daraus resultierenden potentiellen therapeutischen Optionen zu berücksichtigen.
Die Verhinderung von chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen zählt zu den wesentlichsten Bestandteilen der supportiven Therapie. Diese Nebenwirkungen werden von Patienten als besonders belastend erlebt. Eine optimale antiemetische Prophylaxe verbessert nicht nur die Lebensqualität des Patienten sondern beeinflusst maßgeblich den Erfolg der antitumoralen Therapie durch Verhinderung unerwünschter Behandlungsverzögerungen oder –abbrüche.
Trotz adäquater Therapie treten bei ca. 20 – 30 % der Patienten nach wie vor Erbrechen während der Chemotherapie auf; die Inzidenz von Übelkeit ist mit ca. 40 – 50 % sogar ungleich höher.
Tumortherapie-induzierte Diarrhoe ist eine häufige, den Patienten belastende und gefährliche Nebenwirkung. Neben klassischen Chemotherapeutika verursachen auch die zielgerichteten neuen Substanzen wie Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren teils schwere Verläufe von Diarrhoen. Die Inzidenz schwankt je nach verwendetem Therapieregime, Komorbidität und individuellen Begleitfaktoren erheblich. Das pathogenetische Wissen um tumortherapie- induzierte Diarrhoen basiert hauptsächlich auf den klassischen Chemotherapeutika und wird hier v. a. als ein klinisches Erscheinungsbild einer Mucositis gesehen. Durch prophylaktische Maßnahmen und effektive supportive Therapiemöglichkeiten wird nicht nur die Lebensqualität der betroffenen Patienten verbessert, sondern auch maßgeblich der Erfolg der Tumortherapie durch Verhinderung von Therapieverzögerungen bzw. –abbrüchen gefördert.
Die Mucositis zählt zu den wichtigsten und häufig dosislimitierenden frühen Nebenwirkungen einer Tumortherapie. Besonders im oberen Gastrointestinaltrakt kann diese in Form einer Stomatitis für den Betroffenen äußerst unangenehm und sehr schmerzhaft sein und eine orale Nahrungsaufnahme vorübergehend unmöglich machen. In der Phase der Neutropenie muss eine höhergradige Mucositis als Risikofaktor für schwere Infektionen wie beispielsweise eine Sepsis mit vitaler Bedrohung angesehen werden.
Viele Chemotherapieprotokolle können nur dann die erforderliche relative Dosisintensität, d. h. die geplante erforderliche Menge an Zytostatika in einem definierten Zeitintervall erreichen, wenn die Neutropenie und febrile Neutropenie vermieden, bzw. in einem klinisch akzeptablen Bereich gehalten werden können. Granulopoetische Wachstumsfaktoren können das Risiko neutropener Komplikationen vermindern.
Komplikationen im Bereich des Knochenskelettes sind häufige, für den Patienten äußerst belastende Ereignisse im Rahmen einer Tumorerkrankung oder auch bedingt durch eine Tumortherapie. In den Blickpunkt fällt hiermit auf der einen Seite die Therapie- induzierte Osteoporose- die in Folge bestimmter Hormontherapien relevant wird und auf der anderen Seite das breite klinische Bild der ossären Metastasen, die bei Patienten mit Mamma-, Prostata-, Lungen-, Nieren- bzw. Schilddrüsen- Karzinom besonders häufig auftreten. Das Risiko schwerer Komplikationen wie pathologischer Frakturen mit ausgeprägter Schmerzhaftigkeit, oder spinaler Kompressionssyndrome erfordern eine frühzeitige Abwägung und Initiierung der geeigneten Intervention. Hier stehen interdisziplinär chirurgische, strahlentherapeutische und medikamentöse Maßnahmen zur Verfügung. Insbesondere im Bereich der medikamentösen Therapien ist durch die Entwicklung neuerer Substanzen eine bewertende Empfehlung für eine für den jeweiligen Patienten optimale Prophylaxe oder Therapie notwendig.
Im Rahmen einer medikamentösen Tumortherapie kommt es häufig zu unerwünschten Wirkungen an der Haut. Hierbei kann der teilweise entstellende oder im Alltag einschränkende Charakter der Hauttoxizität die zur Unterbrechung oder im schlimmsten Fall zum Abbruch der Tumortherapie führen. Eine adäquate Prophylaxe bzw. Therapie dermaler Toxizität kann die Fortführung der Therapie sichern. Dies ist insbesondere wichtig, da das Auftreten von Hauterscheinungen teilweise mit dem Ansprechen der Grunderkrankung auf die medikamentöse Tumortherapie assoziiert ist.
Das Spektrum möglicher dermaler Nebenwirkungen reicht von lokalisierten Erythemen bis hin zu generalisierten papulopustulösen Exanthemen, schließt Haar- und Nagelveränderungen ein.
In der jetzigen Version der Leitlinie erfolgt eine Konzentration auf den Patienten besonders beeinträchtigende Erscheinungsbilder der Hauttoxizität: das Hand- Fuß- Syndrom, das akneiforme Exanthem (Rash), Nagelveränderungen und Alopezie.
Eine Vielzahl klassischer Zytostatika aber auch neuere, zielgerichtete Substanzen bergen das Risiko neurologischer Toxizitäten. Hier ist das Spektrum der möglichen Nebenwirkungen breit, es reicht von Formen der akuten oder chronischen Enzephalopathien über zerebrale Krampfanfälle, vorrübergehende Schmerzzustände bis hin zu Veränderungen im vegetativen und peripheren Nervensystem. Viele Formen treten dabei als akute und rasch reversible Zustandsveränderungen auf. In der jetzigen Version der Leitlinien erfolgt daher eine Fokussierung auf die Komplikation der peripheren Neuropathie, da hier die Gefahr der Chronifizierung/Langzeitkomplikationen als hoch einzuschätzen ist. Um den unterschiedlichen Pathomechanismen gerecht zu werden und differente Prophylaxe und Therapieoptionen darstellen zu können, erfolgt die Differenzierung nach Substanzen.
Die Strahlentherapie kann vor allem an der Mukosa, der Haut und bei Therapie im Kopf-Hals-Bereich zu unerwünschten Wirkungen führen, die die Patienten erheblich belasten. Eine frühzeitige und konsequente Prophylaxe und Therapie sind nötig, um die zeit- und dosisgerechte Durchführung der Therapie sicher zu stellen. Zudem müssen auch andere Bereiche, wie z. B. die antiemetische Therapie unter Strahlentherapie separat berücksichtigt werden, daher finden sich in den vorherigen Kapiteln Querverweise zu den supportiven Maßnahmen in der Radioonkologie.
Eine gefürchtete iatrogene Komplikation in der Hämatologie und Onkologie ist die Paravasation von Zytostatika, die mit einer geschätzten Häufigkeit von 0,1 – 6,5 % auftritt. Die Komplikationen, die durch die akzidentielle Injektion eines Zytostatikums in das umgebende Gewebe auftreten, sind vom Typ des Zytostatikums abhängig und reichen von geringen lokalen Entzündungsreaktionen bis zu ausgeprägten Gewebeschädigungen (Nekrosen). Aus der Kenntnis iatrogener, substanz- und patientenbezogener Risikofaktoren für eine Paravasation lassen sich eine Reihe von Präventionsmaßnahmen ableiten. Nach Auftreten eines Paravasates schließen sich je nach Substanz unterschiedliche lokale physikalische und medikamentöse Maßnahmen und sowie ggf. die Gabe von Antidota an.
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Leitlinienkoordination/ Leitliniensekretariat
Prof. Dr. Karin Jordan
Dr. Franziska Jahn
Projektassistenz
Josephine Werner, M.Sc.
Universitätsklinikum Heidelberg
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